Institut für Kommunikationswissenschaft und Medienforschung (IFKW)
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Professor Guy Stern verstorben

Am 7. Dezember verstarb in Detroit Professor Dr. Dr.h.c.mult. Guy Stern im Alter von 101 Jahren. Der Gelehrte war mit unserem Institut über Jahrzehnte eng verbunden. Ein Nachruf von PD Dr. Heinz Starkulla.

07.12.2023

Schon in den frühen 1960er Jahren war das damalige Institut für Zeitungswissenschaft sein Ankerplatz, als der junge Germanistik-Professor in einem dreisemestrigen Fulbright-Stipendium über den Publizisten Efraim Frisch und dessen Münchner Kulturzeitschrift „Der neue Merkur“ vom Anfang des Jahrhunderts forschte und vor allem in Heinz Starkulla sr. einen kundigen Ansprechpartner fand. Und der Mitbegründer der modernen Exilforschung, der bis ins hohe Alter Lehrstühle an amerikanischen Universitäten bekleidete und bis zum Vizepräsidenten der Wayne State University (Detroit, Michigan) aufstieg, hielt stets engen Kontakt zu München. Er kehrte noch im Jahre 2000, von Dekan Hans Wagner berufen, als Gastprofessor an unser Institut zurück. Sein Hauptseminar über Exilpublizistik musste damals geteilt werden, weil der Name Stern über 90 Teilnehmer anzog.

Gyu Stern

Als Günther Stern 1922 in Hildesheim in eine jüdische Familie geboren, wurde er als Fünfzehnjähriger zu Verwandten in die USA geschickt. Das rettete ihm das Leben. Seinen Eltern und Geschwistern gelang die Auswanderung nicht mehr; Günther, nunmehr Guy, hat sie nicht wiedergesehen, als er 1945 als amerikanischer Soldat vorübergehend wieder deutschen Boden betrat. Im Krieg Angehöriger des berühmt gewordenen Feindaufklärungs-Verbandes „Ritchie Boys“, entschied er sich trotz allem zum Studium der deutschen Literatur und Kulturgeschichte. Die Stufen seiner steilen Wissenschaftskarriere in den Vereinigten Staaten nutzte er stets zu transatlantischem Brückenbau nach Deutschland. Er kann als eine der ganz großen deutsch-jüdisch-amerikanischen Persönlichkeiten angesprochen werden, denen es stets um Menschlichkeit, um Versöhnung nach einer furchtbaren Geschichtsepoche ging. Am ältesten amerikanischen Holocaust-Museum, dem Zekelman Holocaust Center in Farmington Hills bei Detroit, hat er ein „Institute of the Righteous“ ins Leben gerufen und bis fast zuletzt geleitet, das die Geschichte von Rettern jüdischen Lebens während des Dritten Reiches darstellte.

Bis zu seinem 100. Geburtstag war Guy Stern unermüdlich in vielen Ländern als Vortragender unterwegs, wurde als Zeitzeuge und wissenschaftlicher Gutachter gesucht. Seine Vitalität war sagenumwoben wie sein Humor. Als er, hoch in den Neunzigern, in einem deutschen Museum eine Vernissage eröffnete, wollte ihm ein fürsorglicher Mitarbeiter einen Stuhl hinstellen, doch Guy lehnte dankend ab: „Sitzen kann ich, wenn ich alt bin.“ Zur Corona-Zeit kam, für seine Freunde weltweit erschreckend, ein gravierender Einbruch seiner Gesundheit; er musste in ein Pflegeheim. Jetzt ist Guy Stern, gut einen Monat vor seinem 102. Geburtstag, von seinem Leiden erlöst worden.


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