Institut für Kommunikationswissenschaft und Medienforschung (IFKW)
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Hans Wagner verstorben

Im 89. Lebensjahr verstarb am 20. Oktober 2025 nach schwerer Krankheit Professor Dr. Hans Wagner, Emeritus und längstgedientes Mitglied unseres Instituts.

20.10.2025

Geboren am 11. Januar 1937 als ältestes von sieben Kindern des Brauers Johann Wagner und seiner Ehefrau Katharina in Nesselwang im Allgäu, begann er seine Studien an der Philosophisch-Theologischen Hochschule in Dillingen und wechselte 1955 an die Universität München, wo er Philosophie vornehmlich bei Alois Dempf, Psychologie bei Philipp Lersch hörte. „Nach einem zweisemestrigen Ausflug zur Zahnmedizin“, so notiert er im Lebenslauf zu seiner Dissertation, wandte er sich alsbald im Hauptfach der Zeitungswissenschaft zu, die gerade Hanns Braun vom Institutsgründer Karl d’Ester übernommen hatte. Von Hause aus nicht begütert, verdiente er sich sein Studium unter anderem als Straßenbahnschaffner; von 1959 bis 1962 schon zählte er als Wissenschaftliche Hilfskraft zur damals noch sehr kleinen Institutsmannschaft. 1965 wurde er als einer der fast an einer Hand abzählbaren Doktoranden, die von Hanns Braun zugelassen wurden, mit einer Dissertation über Die faktische Ordnung der sozialen Kommunikation promoviert. Dieser Versuch einer Systematisierung der Zeitungswissenschaft schien ihm erforderlich, weil er, der eigentlich die radikal ideologische Kommunikation einer politischen Gruppe nach dem Ersten Weltkrieg, der Ludendorff-Bewegung, untersuchen wollte, dabei bemerkte, dass dem Fach für eine solche Analyse noch operable Werkzeuge fehlten. Auf diese Weise verfiel bereits der junge Hans Wagner auf eines seiner künftigen Kernthemen, die Kommunikationstheorie. Methodenlehre und Inhaltsanalyse, Theorie des Journalismus und Kommunikationsgeschichte sollten später hinzutreten.

Vorab hat er sich aber noch in der Kommunikationspraxis umgetan: Hatte der gläubige Katholik Hans Wagner bereits als Student in der damals hochangesehenen Münchener Katholischen Kirchenzeitung eine gediegene journalistische Lehrzeit absolviert, so betraute ihn Julius Kardinal Döpfner 1962 mit dem Aufbau und der Leitung der Pressestelle des Erzbistums München und Freising, einer der frühesten diözesanen Pressestellen in Deutschland überhaupt, und parallel dazu begründete er die Pressestelle der Deutschen Bischofskonferenz. Dem Institut blieb er zunächst durch Lehraufträge verbunden; 1966 führte ihn seine Faszination für die Zeitungswissenschaft zurück auf eine Assistentenstelle.

Hauptsächlich mit der Ausbildung der Münchner Studienanfänger ausgelastet, übernahm er dazu eine Lehrstuhlvertretung in Salzburg und habilitierte sich 1975 mit einer Abhandlung, die leider unveröffentlicht geblieben ist: Die Partner in der Massenkommunikation. Deren erster Band, Theorie und Wirklichkeit, gibt eine „Ideologiekritik der leitenden Massenkommunikationslehren“; der zweite Band, Vermittelte Kommunikation der Gesellschaft, verspricht ein zeitungswissenschaftliches „Fundament und Modell einer Theorie der Massenkommunikation“. In der Folge als Privatdozent und Wissenschaftlicher Rat und Professor am Institut tätig, wurde er 1980 auf eine Professur berufen; 2002 ging er in den Ruhestand. Besonders gefordert war er mit der Leitung des Instituts, nachdem er mit der Emeritierung Otto B. Roegeles 1985 als einziger Professor verblieben war und maßgeblich Neuberufungen in die Wege zu leiten hatte. Der Ludwig-Maximilians-Universität diente er auch als langjähriger Lehrender und Senatsmitglied der Hochschule für Politik, als Prodekan der Sozialwissenschaftlichen Fakultät von 1990 bis 1996 und als Dekan von 1996 bis 2001.

Hans Wagners außerordentlich umfangreiches Werk ist 2002 in einer Festschrift zu seinem 65. Geburtstag, Medien und Mittler sozialer Kommunikation, hrsg. von Ute Nawratil u. a., verzeichnet und gewürdigt worden; darin finden sich auch alle Schülerinnen und Schüler wieder, die bei ihm bis dahin einen akademischen Abschluss gemacht haben; einige kamen noch hinzu. Und auch im Ruhestand hat Wagner weiter publiziert. Noch 2021 ist in 3. Auflage sein – inzwischen zusammen mit Philomen Schönhagen herausgegebenes – Standardwerk Qualitative Methoden der Kommunikationswissenschaft erschienen, und die von ihm begründete und edierte Reihe ex libris kommunikation, ebenfalls bei Nomos in Baden-Baden, ist mittlerweile auf 20 Bände angewachsen.

Hans Wagner hat, auch und gerade als prononcierter Vertreter einer Minderheits-Richtung im Fach, eben der Münchner Schule der Zeitungswissenschaft, manchen Kampf auszufechten gehabt. Wer ihn kennenlernen durfte, seine Schülerinnen und Schüler und alle, die ihm als Kolleginnen und Kollegen sowie Mitarbeitende nahe waren, trauern mit seinen Angehörigen um diesen in seinem Gottvertrauen ruhenden, heiter den Menschen zugewandten, stets hilfsbereiten und souverän argumentierenden Mentor – einen Gelehrten, der sein Fach noch in der ganzen Breite beherrschte und das vorlebte, was das Wort Professor bedeutet: jemand, der furchtlos vertritt, was er als gültig erkannt hat.

Heinz Starkulla jr.


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